Sperrstunde im Rathaus oder: Wat mutt dat mutt!

An einem späten Mittwochabend verließen wohl die meisten Gäste und Mitglieder eines Gremiums enttäuscht den Ratssaal. Was war passiert?
Oder besser: Was war nicht passiert?

Nach dem Planungsausschuss am Dienstag war der Ausschuss für Bildung, Sport und Kultur an diesem Abend (16.3.22) der zweite Ausschuss innerhalb von zwei Tagen, der es nicht geschafft hat, über den wohl wichtigsten Antrag der Tagesordnung abzustimmen und (wie von SPD, GRÜNEN, DIE LINKE und FDP gefordert) den Bau der dringend benötigten 4. Grundschule der Stadt zu beschließen – obwohl er von 19 bis 21 Uhr tagte und sich in diesen drei Stunden von Schulleitungen und Eltern angehört hatte, wie dramatisch die Situation an den bestehenden Einrichtungen aussieht und diese nur mit allergrößter Mühe und Einschränkungen des vernünftigen Betriebs zusätzliche Klassen einrichten können.

Natürlich hatten Last-Minute-Änderungsanträge aus dem Lager der vier Fraktionen die Lage etwas komplizierter gemacht und eine Prise Sand ins normale Abstimmungsgetriebe gestreut, aber die kamen erst gar nicht zur Sprache und angesichts der Dringlichkeit hätte man auch das bewältigen können – wenn da nicht die unerbittlich tickende Uhr an der Wand des Ratssaals gewesen wäre …

Denn eine große Mehrheit der Ratsmitglieder will, dass in Sitzungen des Rates und seiner Ausschüsse „nach 22 Uhr keine weiteren Tagesordnungspunkte aufgerufen (werden)“, so die neue Fassung des § 30 Abs. 4 der Geschäftsordnung. Daher war für den BKS nach drei, für den PLA nach vier Stunden gnadenlos Schluss. Dass Letzterer es selbst zwischen 18 und 22 Uhr nicht fertigbrachte, über eine 4. Grundschule zu befinden, lag auch daran, dass ein Großteil der Zeit darauf verwendet wurde, einen in Wedel sehr rührigen Investor sein neuestes Bauprojekt ausführlich darlegen zu lassen – man muss eben Prioritäten setzen.

Dass neue Wohnungen auch für junge Familien gebaut werden sollen und daher neue Grundschulkinder mit sich bringen, fiel an diesem Abend nicht so sehr ins Gewicht. Nun ja, der Planungsausschuss ist eben nicht der Bildungsausschuss, also sollte man ihm vielleicht nachsehen, dass er in 4 Stunden nicht schaffte, was der BKS in 3 nicht zustande brachte.

Beide Ausschüsse werden nun jeweils eine Woche später fortgesetzt, wobei „die restlichen Punkte … an vorderer Stelle auf die Tagesordnung zu setzen (sind)“, so die Geschäftsordnung. Immerhin lässt dies hoffen, dass doch noch über die 4. Grundschule abgestimmt wird, und eine Woche macht den Kohl nicht magerer, könnte man meinen. Stimmt, angesichts der Dauer der Umsetzung von Bauprojekten spielt eine solche Verzögerung keine große Rolle und kann durch die Verwaltung leicht aufgeholt werden. Also viel Lärm um (fast) nichts?

So kann man es natürlich sehen. (Wobei viele, die auch nach 22 Uhr arbeiten müssen, es vielleicht etwas differenzierter betrachten mögen.) Aber selbst wenn dieser in Klammern gesetzte Einwurf bei einigen als populistisch ankommt, bleibt doch (ebenso populistisch?) festzuhalten: Es gibt – wie jeder Arbeitnehmer und Selbständige weiß – Herausforderungen, die eine Überstunde erforderlich machen. Oder um es aus der Sicht von berufstätigen Eltern mit Kita-Kindern zu formulieren: für flexible Randzeiten sprechen.

Leider lässt die neue Geschäftsordnung diese nicht zu. Darin heißt es „ist die Sitzung zu schließen“. Keine Kann- oder Soll-, sondern eine knallharte Muss-Vorschrift. Auch und gerade für eine GO gilt schließlich: Ordnung muss sein.

Zum Schluss noch ein Schuldbekenntnis des Autors:
Er gehört dem BKS an, war an diesem Mittwochabend anwesend – und hat in den drei Stunden kein Wort gesagt. War er nur nicht gut drauf oder hatte er die leise Hoffnung, dass das Gremium ohne einen oder mehrere seiner (häufig längeren) Beiträge doch noch im ersten Anlauf über die 4. Grundschule entscheidet?
Zweifellos ist die zweite Erklärung schmeichelhafter als die erste, zumal sie nachträglich leicht anzuführen ist … Wie dem auch sei, auf jeden Fall hat er daran mitgewirkt, die Gelegenheit zum schnellen Handeln ungenutzt verstreichen zu lassen. Dieser Abend mag Wasser auf die Mühlen mancher Kritiker sein und sie darin bestärken, dass die Kommunalpolitik unfähig zur raschen Lösung akuter Probleme ist.

Aber das stimmt nicht. Sie ist dazu fähig, sie macht es sich nur manchmal selbst schwer. Eine Verlängerung heißt nicht unbedingt, dass in der regulären Spielzeit schlecht gespielt wurde. Es sind nur nicht genug Tore gefallen und zur Not gibt es ja noch das Elfmeterschießen …

 

Ihr Detlef Murphy

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