Helden, Duelle und Kriegstänze – Der Wedeler Haupt- und Finanzausschuss (HFA) im Bericht einer Lokalzeitung

Politikern (selbst kommunalen) und Journalisten (auch kommunalen) wird nachgesagt, dass sie besonders aufmerksam mit Worten umgehen – die einen, weil sie wissen (oder hoffen), dass sie zitiert werden (mancher bedankt sich sogar öffentlich dafür), die anderen, weil es zu ihrem Beruf gehört.

Bestandteil jeder Gremiensitzung ist weit vorn in der Tagesordnung die Protokollgenehmigung.

Meistens eine rein formale, routinierte Angelegenheit, hin und wieder aber auch eine kuriose Abwechslung im drögen Ablauf. Letzteres vor allem dann, wenn jemand sich und seine Äußerung in der vorangegangen Sitzung falsch wiedergegeben sieht. Das passiert eher selten, weil das Protokoll von einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung geführt wird, der/die von Amts wegen zur Neutralität verpflichtet ist.

Nicht von Amts wegen, sondern durch Berufsethos und Presserat ist das eigentlich auch der/die Journalist/Journalistin, jedenfalls wenn er/sie einen Bericht und keinen Kommentar schreibt. Das klappt nicht immer: manche Zeitungen sind bekannt dafür, gern und oft beides miteinander zu vermischen.

Wohlgemerkt und zur Klarstellung, es geht hier auf keinen Fall darum, eine Zeitung als „Lügenpresse“ anzuprangern. Von Lüge ist hier ganz sicher nicht die Rede, und die Ecke, aus der dieser Vorwurf standardmäßig erhoben wird, ist eine alte und dunkle, die mit Demokratie und der dazu gehörenden Pressefreiheit nun wirklich nicht viel am Aluhut hat.

Nein, es geht nur um ein kleines Wort, in dem eine Bedeutung mitschwingt, die vermutlich gar nicht beabsichtig ist, aber vom Leser durchaus mitgedacht werden kann.

Zur Sache:

In einem Bericht über den Wedeler HFA, der am 7.12.20 darüber diskutierte, ob für die Mitarbeiter der Kombibad GmbH eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag gelten soll, findet sich folgende Formulierung:

„Ich halte es für politisch unvertretbar,
dass ein städtischer Betrieb keine tarifliche Bezahlung hat“
, schimpfte …“

Wer so zitiert wird, tut hier nichts zur Sache. Viel wichtiger ist, wie das Zitat ausgeleitet wird. Laut Artikel kritisiert der dort Wiedergegebene nicht. Er beklagt auch nicht. Er stellt nicht fest. Oder am einfachsten (und emotionslosesten): Er sagt nicht.

Nein, er „schimpft.“

Natürlich will jeder Autor (auch dieser) in seinem Text unnötige Wiederholungen vermeiden und möglichst abwechslungsreich formulieren, aber auch dabei ist Vorsicht geboten. Autoren lernen früh, bei der Wiedergabe wörtlicher Rede (ob im Roman oder einem Bericht) das langweilige Verb „sagen“ sparsam zu verwenden und aussagekräftigere Verben zu verwenden. Genau das ist das Problem dabei: die Aussagekraft, genauer gesagt, die Aussage.

Im aktuellen Wikipedia-Eintrag „Schimpfen. Verärgertes Sozialverhalten von Menschen“ heißt es – unter dem Foto eines „Ausbilders beim Militär“! – unter anderem:

„Der Betreffende ist mit seiner Situation unzufrieden, und sein Schimpfen erfüllt dann eine psychische Entlastungsfunktion.“

Verwiesen wird beispielsweise auf die traditionellen Tänze der Maori und den Zweikampf der Helden in Homers Illias.

Wow! Wer hätte gedacht, dass es in einer HFA-Sitzung so dramatisch zugeht …

Wenn überhaupt, ist das zitierte Ausschussmitglied nicht mit seiner, sondern mit der Situation der ohne Tarifvertrag arbeitenden Kombibad-Beschäftigten unzufrieden … und ob es sich dadurch seelisch entlastet hat, kann es ja mit einem Psychologen oder einer Psychologin erörtern.

Okay, vielleicht ist das hier auch nur viel Lärm um nichts, und der Verfasser sollte nicht so empfindlich sein. Im Zeitungsartikel hätte ja statt „schimpfte“ auch „jammerte“ oder „ereiferte“ stehen können. Trotzdem hat es Spaß gemacht, diesen Post zu schreiben.

Schade um die Zeit ist es jedenfalls nicht.


 

Detlef Murphy

 

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